zu Tisch - 2
Lieber Benjamin,
im Dezember 2015 führte mich meine argentinische Freundin in Zittau zu Dir: "Der wird Dir gefallen, der sammelt und repariert die ganzen alten Sachen." Nach der ersten Begegnung war klar - der sammelt auch alte Häuser und sichert sie so, dass sie eben nicht mehr zur Seite umfallen können. Ein Architekt, der sichert - nicht neu baut. Baudenkmäler vor dem Bulldozer rettet.
In Zittau kann er das und muss es anscheinend tun. In einer Region, in die es mich selbst zu DDR Zeiten nie hin verschlug. Die da unten bei den Sachsen… spöttelten die Ostberliner… genau hier steht das alte Haus... ein Baudenkmal...
Das Innere des Hauses hinter der Fassade erinnerte mich an ein „Hausskelett“. Die durch die Jahrhunderte geprägten Steinstufen, die noch sicher in das obere farbbröselnde Geschoss führten, faszinierten mich. Wie viele Menschen sind hier wohl bereits hoch und runtergelaufen, gestürzt, gekrochen, flaniert…Die herunterhängenden Details in den ehemaligen Räumen lassen Geschichten erahnen und zurecht spinnen. Räume, normalerweise von Boden und Wänden definiert, sind durch Witterung auf Fragmente reduziert. Einsturzgefährdet. Obwohl keiner mehr in diesem Haus war, der einen hören könnte, erwischte ich mich beim Schleichen.
Hier also durfte ich endlich legal in ein „Bild- Raum“ einsteigen, welcher mich vorher nur von Bildbänden her faszinierte; Geisterstädte in Detroit, Beelitz Heilstätten oder andere Fotomotive, die illegal entstanden sind, weil ich mit Freunden nach der Wende in alte Gemäuer eingestiegen bin. Motive, die versuchen den Zerfall festzuhalten. Ein Widerspruch - erst neulich las ich einen Satz in einem dieser Bildbände: “Die Natur als Innenarchitekt“. Die eigentliche Geschichte aber hat über den Verfallsprozess der Gemäuer Bestand. Wie bekommt man beides als Hausfremder zusammen?
Der erste Impuls war es, einen hängenden Tisch mit weißen Tischtuch als Kontrast zum derzeitigen Zustand des Gemäuers in den Raum zu hängen. Der Tisch als Symbol; Treffpunkt für eine fiktive epochenübergreifende Tischgesellschaft die in den Räumen schwebt. Futter für meine Phantasie - nur mal so durchgespielt. Deine Bemerkung: Na dann müssen wir den Tisch wirklich mal aufhängen. Ein nicht ungefährliches Unternehmen: Einsturzgefahr - Du Chef - ich Höhenangst und ein neues „Bild im Raum“.
April 2016
hing der Tisch. Und mit ihm die Frage, wen es in diesem Haus wirklich gegeben hat. Du hast mit von Angelika Wünsche und ihrer Chronik erzählt, die im Zuge einer ABM Maßnahme von ihr zu diesem Haus zusammengestellt wurde. In der gleichen Zeit lernte ich Grit und mit ihr ihre intensive Recherche zum Haus kennen. Ich suchte Leute, die mir die Hauschronik aufsprechen könnten, damit der Tisch und seine damit inszenierten Zeitzeugen lebendig werden. Sie stellte mir den Kontakt zu zwei Jugendlichen aus Zittau vor.
Juni 2016
Die Jugendlichen sprachen mit zwei Klassen in ihrem Schülerradio die ehemaligen Hausbewohnerstimmen auf. Ein schöner Zufall, dass ein ehemaliger sehr berühmter Hausbewohner und Pädagoge auch Namenspatron des Gymnasiums war/ist. Es schien, dass immer mehr Leute diesem Haus Aufmerksamkeit schenkten. Eine neue Idee der Zwischennutzung reifte heran.
Weitermachen !
Gruß Micheline
im September 2017
wie alles begann :
Lieber Benjamin,
im Dezember 2015 führte mich meine argentinische Freundin in Zittau zu Dir: "Der wird Dir gefallen, der sammelt und repariert die ganzen alten Sachen." Nach der ersten Begegnung war klar - der sammelt auch alte Häuser und sichert sie so, dass sie eben nicht mehr zur Seite umfallen können. Ein Architekt, der sichert - nicht neu baut. Baudenkmäler vor dem Bulldozer rettet.
In Zittau kann er das und muss es anscheinend tun. In einer Region, in die es mich selbst zu DDR Zeiten nie hin verschlug. Die da unten bei den Sachsen… spöttelten die Ostberliner… genau hier steht das alte Haus... ein Baudenkmal...
Das Innere des Hauses hinter der Fassade erinnerte mich an ein „Hausskelett“. Die durch die Jahrhunderte geprägten Steinstufen, die noch sicher in das obere farbbröselnde Geschoss führten, faszinierten mich. Wie viele Menschen sind hier wohl bereits hoch und runtergelaufen, gestürzt, gekrochen, flaniert…Die herunterhängenden Details in den ehemaligen Räumen lassen Geschichten erahnen und zurecht spinnen. Räume, normalerweise von Boden und Wänden definiert, sind durch Witterung auf Fragmente reduziert. Einsturzgefährdet. Obwohl keiner mehr in diesem Haus war, der einen hören könnte, erwischte ich mich beim Schleichen.
Hier also durfte ich endlich legal in ein „Bild- Raum“ einsteigen, welcher mich vorher nur von Bildbänden her faszinierte; Geisterstädte in Detroit, Beelitz Heilstätten oder andere Fotomotive, die illegal entstanden sind, weil ich mit Freunden nach der Wende in alte Gemäuer eingestiegen bin. Motive, die versuchen den Zerfall festzuhalten. Ein Widerspruch - erst neulich las ich einen Satz in einem dieser Bildbände: “Die Natur als Innenarchitekt“. Die eigentliche Geschichte aber hat über den Verfallsprozess der Gemäuer Bestand. Wie bekommt man beides als Hausfremder zusammen?
Der erste Impuls war es, einen hängenden Tisch mit weißen Tischtuch als Kontrast zum derzeitigen Zustand des Gemäuers in den Raum zu hängen. Der Tisch als Symbol; Treffpunkt für eine fiktive epochenübergreifende Tischgesellschaft die in den Räumen schwebt. Futter für meine Phantasie - nur mal so durchgespielt. Deine Bemerkung: Na dann müssen wir den Tisch wirklich mal aufhängen. Ein nicht ungefährliches Unternehmen: Einsturzgefahr - Du Chef - ich Höhenangst und ein neues „Bild im Raum“.
April 2016
hing der Tisch. Und mit ihm die Frage, wen es in diesem Haus wirklich gegeben hat. Du hast mit von Angelika Wünsche und ihrer Chronik erzählt, die im Zuge einer ABM Maßnahme von ihr zu diesem Haus zusammengestellt wurde. In der gleichen Zeit lernte ich Grit und mit ihr ihre intensive Recherche zum Haus kennen. Ich suchte Leute, die mir die Hauschronik aufsprechen könnten, damit der Tisch und seine damit inszenierten Zeitzeugen lebendig werden. Sie stellte mir den Kontakt zu zwei Jugendlichen aus Zittau vor.
Juni 2016
Die Jugendlichen sprachen mit zwei Klassen in ihrem Schülerradio die ehemaligen Hausbewohnerstimmen auf. Ein schöner Zufall, dass ein ehemaliger sehr berühmter Hausbewohner und Pädagoge auch Namenspatron des Gymnasiums war/ist. Es schien, dass immer mehr Leute diesem Haus Aufmerksamkeit schenkten. Eine neue Idee der Zwischennutzung reifte heran.
Weitermachen !
Gruß Micheline
im September 2017