zweikronenhaus zittau
18-1-04-traumhaus

1-Vorbereitungen • 2-zur Person • 3-Aufbau • 4-Eröffnung • 5-Ausstellung

geflüsterte Worte

"... die zum Haus gehören, sich um das Haus bewegen" (Dr. Lisa Fenzi)



eine

"kurze Rede vor den Objekten"

von Dr. Lisa Fenzi am 09.09.2018
Sibylle Waldhausen: "Traumhaus"

Über die Geschichte des „Zweikronenhaus“ wird Ihnen ein Einblick in dem angrenzenden Raum geboten, im „Spurensuche-Zimmer“. Die Berliner Künstlerin Sibylle Waldhausen erlaubt hingegen hier, in diesem Raum, einiges durch ihre Werke, neu zu erfahren und zu betrachten. Neues sowohl über das Zweikronenhaus, das durch ihre Installation in einer anderen Perspektive erscheint, und Neues über die Idee von „ Haus, Materie und Traum.

Sibylle Waldhausen kreiert wunderschöne Plastiken: Menschen in Booten, allein, zu Fuß, auf Rädern, denkend, oder spinnenartige Konstruktionen, die eine berührende Fragilität besitzen aber genauso eine messerscharfe Präsenz. Alle Objekte, die sie entstehen lässt, besitzen die beeindruckende Qualität eine starke Beziehung mit ihrer Umgebung einzugehen. Sie sind meistens diskret, aber sie wissen genau so kraftvoll Elemente des Raumes zu betonen oder die Leere, die Räumlichkeit im Werk einzubeziehen.

Hier befinden sich ihre Häuser. Kein neues Thema für Sibylle Waldhausen, aber eines, das sich entwickelt, das sich verändert und das sich hier offensichtlich, auch spielerisch auf die Beziehung mit der Umgebung einlässt.

Die ersten Assoziationen bewegen sich von dem Gedanken des „Raum im Raum“ bis zur Idee des Hauses als Behältnis für viele andere mögliche Häuser, viele andere Geschichten oder Träume oder mögliche Rückzugsorte.

Es sind Häuser, die sich, ob sie wollen oder nicht, an die äußerlichen Begebenheiten anpassen müssen: Ihre Lage erlaubt ihnen keine Stabilität und keine einseitige Perspektive einzunehmen. Sie drehen und zeigen sich unter verschiedenen Facetten. Sie ändern ihre Frontseite, man kann sie von oben wie von unten betrachten. Sie bilden - sowohl hängend als auf dünnen Stelzen - kleine Gruppen. Diese Häuser sind frei von Fundamenten, sie hängen wortwörtlich in der Luft, haben sie sich noch nicht festgelegt und folgen dem Luftzug. Sie zeigen manchmal eine angedeutete verzierte Fassade und nehmen somit auf die Formen des großen Hauses - des Zweikronenhauses - Bezug, oder sie sind wieder karg und näher in der Wahrnehmung an der Materie, an der nackten Ästhetik der gemauerten Wänden. Mal sind sie schwer und ihr Bestand aus Beton gewinnt Oberhand, mal sind sie leicht, sie fliegen, sie sind offen und dank der rhythmischen Einordnung der Fenster und des fehlenden Bodens durchlässig für unsere Blicke geworden. Sie geben sogar ihr schimmerndes, goldenes und warmes Innenleben preis. Sie machen neugierig auf ihr Inneres, sie bringen unsere Vorstellungskraft in Bewegung. Anstatt sich mit den Eigenschaften des Hauses als eine solide, standhafte, geschlossene Einheit einzuhüllen, gewinnen sie durch ihre Fragilität, ihre Offenheit und ihren unsicheren Stand mehr Möglichkeiten und mehr Kraft.

Das führt mich zu einer Assoziation, vielleicht gewagt, aber meiner Ansicht nach suggestiv: In dieser Offenheit der Häuser von Sibylle Waldhausen, in ihrer Bodenlosigkeit und Bewegung, liegt ein Zusammenspiel mit dem Zweikronenhaus, dessen Substanz auch an dünnen Fäden hängt. Vielleicht gewinnt das Zweikronenhaus auch dadurch an neuen Möglichkeiten, an Gestaltungen und Perspektiven, die ungewohnt und wahrhaft traumbehaftet sind.

So offen für Träume und Imagination die Struktur und die Lage der Häuser ist, so wichtig ist auch das Thema Geschichte. Nicht so sehr Geschichte als historischer Fakt, sondern als gelebte Bewegung: fließende Zeiten, Veränderungen, geflüsterte Erzählungen und Gedanken. Die Reihen an Wörtern und Sätzen, die teilweise die Fassaden dieser Häuser begleiten, sind nicht wie Graffiti und Ornamente, sondern sie erscheinen eher wie geflüsterte Worte. Erzählungen und Gedanken, die zum Haus gehören, sich um das Haus bewegen und mit der Zeit zu einem wesentlichen Teil der Architektur geworden sind.

Die Worte, das Erzählen und die Geschichte, die zu einem Haus gehören, begleiten auch die Interaktion, die im Treppenhaus auf Papier stattfinden soll. Wieder findet eine Spiegelung statt: so wie die kleineren Häuser beschriftet sind, und ihre Gedanken flüstern, so bekommt auch das größere Haus zusätzliche Erzählungen, Gedanken und Wörter auf seine Wände geschrieben.

Eine ganz andere Dimension haben hingegen - in einer kleinen Nische - die Papierarbeiten. Sie sind nicht so einsam, nicht so kompakt, sie lassen Schnelligkeit, Geräusche und die Oberfläche wirken, in einem rasanten Rhythmus zwischen Zwei- und Dreidimensionalität.

In einem Punkt berühren sich diese Arbeiten jedoch wieder – abgesehen natürlich davon, dass sie sich beide um die Form und um das Thema Haus bewegen -: Auch sie lassen ein Substrat an Geschichten verspüren, das sie umgibt, das sich aus ihnen heraus bewegt.

Anstatt sich Luftschlösser zu bauen, hat Sibylle Waldhausen Lufthäuser erfunden, im besten Sinne, als Orte der Vorstellung. Sie haben im Zweikronenhaus einen Ort wiederum gefunden, der bespielt werden kann, ein Traumhaus für Traumhäuser und für jeden, der Geschichte erleben und fühlen will.